Sind Teams immer noch relevant?
Sind Teams immer noch relevant?
In einer Welt, die von künstlicher Intelligenz, Automatisierung und dezentraler Arbeit geprägt ist, stellt sich die fundamentale Frage nach der Zukunft traditioneller Teamstrukturen. Die Pandemie hat Remote-Arbeitsmodelle radikal beschleunigt, während Tools wie Claude und ChatGPT völlig neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine ermöglichen.
Wie Peter Beck in seinem Artikel “The AI-Enhanced Team of the Future” argumentiert, können einzelne Entwickler heute mit Hilfe von KI-Agenten dutzende spezialisierte Code-Agenten koordinieren, um produktionsreife Features zu erstellen. Dennoch bleiben Teams als fundamentale soziale Systeme bestehen – ihre Zusammensetzung und ihr Fokus entwickeln sich jedoch weiter zu dem, was Beck als “AI-Enhanced Teams” oder “Full Business Teams” bezeichnet.
Zwei komplementäre Perspektiven beleuchten die anhaltende Relevanz von Teams: Die bewährte Verankerung im Agilen Manifest und die dynamische Weiterentwicklung durch moderne Arbeitskonzepte.
Die Außensicht: Teams als Fundament des Agilen Manifests
Das Agile Manifest von 2001 stellt unmissverständlich „Individuen und Interaktionen über Prozesse und Werkzeuge". Teams bilden dabei das pulsierende Herz agiler Arbeitsweisen. Prinzip 4 fordert die tägliche Zusammenarbeit zwischen Fachexperten und Entwicklern – ein Mechanismus für kontinuierliche Feedback-Schleifen und nachhaltige Innovation. Ohne funktionierende Teams wären iterative Sprints, konstruktive Retrospektiven und kollektives Lernen schlicht undenkbar.
Die Teamforschung untermauert diese Prinzipien eindrucksvoll. Bereits Katzenbach und Smith definierten in “The Wisdom of Teams” (1993) ein Team als “eine kleine Anzahl von Menschen mit komplementären Fähigkeiten, die sich einem gemeinsamen Zweck, gemeinsamen Leistungszielen und einem gemeinsamen Arbeitsansatz verpflichtet fühlen, für die sie sich gegenseitig verantwortlich halten.” Diese Definition bleibt auch im digitalen Zeitalter gültig.
Richard Hackman erweiterte diese Perspektive in “Leading Teams” um die entscheidenden Erfolgsfaktoren: eine überzeugende Richtung, eine befähigende Struktur, ein unterstützender organisatorischer Kontext und die Verfügbarkeit von kompetentem Coaching – Elemente, die auch für virtuelle und KI-unterstützte Teams gelten.
Aktuelle Studien von McKinsey belegen, dass agile Transformationen die operative Leistung um 30 bis 50 Prozent steigern können. Sie schaffen Synergien durch Wissenstransfer, meistern Konflikte produktiv und passen sich flexibel an Marktveränderungen an – Kompetenzen, die gerade in volatilen Märkten überlebenswichtig sind.
Die Innensicht: Neue Konzepte und ihre Herausforderungen
Die moderne Arbeitswelt transformiert Teams durch technologische Innovation und neue Organisationsformen. Jurgen Appelo’s Management 3.0 Framework und sein Konzept der “unFIX” Organisationseinheiten zeigen, wie Teams sich von statischen Einheiten zu dynamischen, selbstorganisierten Netzwerken entwickeln. Appelo argumentiert, dass moderne Organisationen wie lebende Systeme funktionieren sollten – mit Teams als autonomen Zellen, die sich je nach Bedarf neu konfigurieren.
Diese Evolution manifestiert sich in verschiedenen Organisationstopologien, wie Alexey Krivitsky und Roland Flemm in ihrem “Org Topologies” Framework aufzeigen: Von der klassischen Hierarchie über Matrix-Strukturen bis hin zu vollständig vernetzten Organisationen ohne feste Teamgrenzen. Ihre sieben Archetypen reichen von aufgabenbasierten Arbeitsgruppen bis zu hochadaptiven, wertstromorientierten Teams.
AI-Pairing, etwa die Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und KI-Tools wie GitHub Copilot, schafft neue Formen der Kollaboration, automatisiert Routineaufgaben und setzt kreative Potenziale frei. Peter Beck betont, dass KI dabei nicht als Ersatz, sondern als “kognitiver Verstärker” fungiert, der menschliche Teamfähigkeiten erweitert statt ersetzt. Teams entwickeln sich zu “AI-Enhanced Teams”, die für komplette Business-Fähigkeiten verantwortlich sind, wobei KI als Kraftmultiplikator dient.
Dynamic Teaming – die Bildung fluider, projektbasierter Teams – löst starre Strukturen ab. Diese Flexibilität entspricht Appelo’s Vision von “Crews” und “Crowds”, die sich situativ zusammenfinden und wieder auflösen.
Diese Evolution bringt spezifische Herausforderungen mit sich: Die räumliche Distanz im Remote-Setting untergräbt die im sechsten Prinzip geforderte Face-to-Face-Kommunikation. KI-Systeme können bestehende Vorurteile verstärken oder problematische Abhängigkeiten schaffen. Beck warnt explizit davor, dass übermäßige Abhängigkeit von KI-Empfehlungen ohne kritische Reflexion problematisch werden kann. Dennoch zeigt sich: Teams ergänzen und steuern KI-Werkzeuge – sie treffen ethische Entscheidungen und treiben echte Innovation voran.
Wie beginnen wir das Gespräch?
Metaphern schaffen kraftvolle Bilder, um Teamkonzepte in Organisationen greifbar zu machen:
Die feste Festung: Traditionelle Teams nach Katzenbach und Smith bieten Stabilität und Verlässlichkeit, reagieren jedoch träge auf Veränderungen.
Der Schwarm: Dynamic Teaming ermöglicht maximale Flexibilität, riskiert aber ohne klare Führung das Chaos – ein Phänomen, das Hackman als “authority vacuum” beschreibt.
Der KI-Hybrid: Die Mensch-Maschine-Partnerschaft, wie Beck sie skizziert, steigert die Effizienz und erweitert die Reichweite von Teams über die gesamte Wertschöpfungskette.
Die isolierten Inseln: Individualarbeit beschleunigt Entscheidungen, erhöht aber die Fehleranfälligkeit durch fehlende Perspektivenvielfalt.
Diese Bilder stimulieren essenzielle Diskussionen: Welche Metapher spiegelt unsere Organisation wider? Wie gelingt die Integration künstlicher Intelligenz ohne Verlust des Teamgeistes?
Fazit
Teamwork bleibt der unverzichtbare Kitt agiler Organisationen – diese Kernbotschaft des Manifests hat nichts an Aktualität eingebüßt. Die Form wandelt sich jedoch fundamental: Aus statischen Arbeitsgruppen entstehen hybride, KI-unterstützte Netzwerke. Beck betont, dass Teams in Zukunft nicht kleiner werden, sondern breiter, empirischer und näher am Kunden – sie gewinnen, indem sie schneller lernen als sich der Markt verändert.
Die Grundprinzipien erfolgreicher Teams nach Hackman – klare Richtung, befähigende Struktur und unterstützender Kontext – bleiben dabei bestehen, müssen aber für die digitale Ära neu interpretiert werden.
Organisationen, die diese Transformation aktiv gestalten und dabei die Lehren von Katzenbach und Smith über echte Teamverantwortung mit den innovativen Ansätzen von Appelo’s adaptiven Strukturen und Krivitsky/Flemm’s Organisationstopologien verbinden, entwickeln überlegene Resilienz.
Über den Verband
Der Verband für adaptive Organisationen e.V. ist ein Zusammenschluss führender europäischer Organisationsentwickler, Coaches und Trainer, um einheitliche Qualitätsstandards für Aus- und Weiterbildung in der Organisationsentwicklung zu schaffen und Unternehmen in unsicheren Märkten zu unterstützen. Ziel ist es, Organisationen zu mehr Kundenfokus, Wirksamkeit und Resilienz zu verhelfen.